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Vortrag 1 mit Carlos Watzka:
„Zwischen Sakralmagie und Religionspolitik. Die Gestaltung von Besessenheitsphänomenen und Teufelsaustreibungen durch den katholischen Klerus in der post-tridentinischen Habsburgermonarchie.“

Das Christentum fundierte seine religionsgeschichtlich singuläre Erfolgsgeschichte nicht zuletzt auf der Jesus und seinen Anhängern zugeschriebenen Fähigkeit, böse Geister zu bannen. Dennoch kam Besessenheit und Exorzismus in verschiedenen Perioden seiner Geschichte unterschiedlich große Bedeutung zu. Für den österreichischen Raum erweist sich nicht so sehr das „Mittelalter“, als das 16. und 17. Jahrhundert als eine Phase fokussierter öffentlicher Aufmerksamkeit für die postulierte exorzistische Potenz des katholischen Klerus. Dies steht in Zusammenhang mit dem damals intensiven gesellschaftlichen Wandel und den damit einhergehenden, primär entlang „konfessioneller“ Grenzziehungen ausgetragenen politischen und ideologischen Konflikten. Spektakulär inszenierte öffentliche Teufelsaustreibungen erweisen sich als ein wichtiger Bestandteil gegenreformatorischer Propaganda für den ‚rechten Glauben‘. Menschen mit pathologischen Symptomen – die gegenwärtig als „dissoziative Identiätsstörung“ bezeichnet würden – kam hierbei, als „von Dämonen Besessene“, eine zentrale Rolle zu. Dies war mit „Viktimisierung“, aber auch dem Erwerb einer sozialen Sonderrolle und Chancen auf erhebliche Gratifikationen verbunden. Die religionssoziologische und mentalitätshistorische Forschung zu diesem Thema korrigiert nicht zuletzt manche ahistorischen Interpretationen dieser Prozesse, welche auch Freud bei seiner frühen Beschäftigung mit dieser Thematik unterlaufen sind.

Carlos Watzka, Dr. Dr., seit 2020 Assoziierter Professor am Department Psychotherapiewissenschaft der SFU Linz. Studium Soziologie und Geschichte an der Universität Graz; 2004 Promotion, 2008 Habilitation für Soziologie. Seit 2000 Tätigkeit in Forschung und Lehre u.a. an Universitäten in Wien, Linz, Graz, Salzburg und Innsbruck. Derzeitige Forschungsschwerpunkte: Soziologie mentaler Gesundheit/Krankheit, Suizidforschung, psychotherapiewissenschaftliche Versorgungsforschung, Mentalitäts- und Emotionsgeschichte.


Vortrag 2 mit Nicole Bauer:
„Zwischen Medizin und Bibel. Die Neuinszenierung des römisch-katholischen Exorzismus in der Gegenwartsgesellschaft.“

Exorzismen stellen eine bis heute aktuelle religiöse Heilungspraxis dar. Massenmedien berichten von einem zunehmenden Interesse an Teufelsaustreibungen. Eine große Bandbreite an Dokumentationen in Radio, Fernsehen und Internet weist auf das öffentliche Interesse an den Themen Besessenheit und Exorzismus hin. Der Glaube an das personale Böse und damit einhergehende Austreibungspraktiken werden gegenwärtig auch im katholischen Exorzisten-Feld reaktiviert und neuinszeniert. Durch die Professionalisierung der ‚Fortbildung‘ zum Exorzisten an der päpstlichen Hochschule Ateneo Pontificio Regina Apostolorum wird der alten Praktik neue Bedeutung beigemessen. Um den Gegebenheiten moderner Gesellschaften gerecht zu werden, werden dort biblische Motive mit modernen Ansätzen aus Medizin und Psychologie kombiniert und legitimiert. Die antike Praxis des Exorzismus wird damit als religiöse Heilungspraktik neuinszeniert und weit über das katholische Feld hinaus verbreitet.

Nicole M. Bauer, Dr., studierte Soziologie, Religionswissenschaft und Jüdische Studien in Graz, Heidelberg und Jerusalem und promovierte 2015 am Institut für Religionswissenschaft der Universität Heidelberg über Kabbala und religiöse Identität. Anschließend absolvierte sie das Fachspezifikum Systemische Familientherapie beim der Österreichische Arbeitsgemeinschaft für systemische Therapie und Systemische Studien (ÖAS) in Salzburg. Derzeit ist sie als systemische Familientherapeutin in eigener Praxis tätig und lehrt und forscht an der Katholischen Fakultät der Universität Innsbruck und am Institut für Religionswissenschaft der Universität Wien. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Gegenwartsreligiosität und religiöse Identität, Religion, Medizin und Psychologie, Kultur- und Religionsgeschichte der Psychotherapie, empirische Forschungsmethoden, sowie Religion und Gender.

Wir freuen uns auf einen interessanten Abend!

Sigmund Freud PrivatUniversität Linz
Department für Psychotherapiewissenschaft
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